Da hatte ich ein super Wochenende (12./13.12.2015) in Frankfurt: Am Samstag „Don Carlo“ und am Sonntag „Der fliegende Holländer“.
So habe ich, der ich seit über drei Jahren keine Oper mehr besucht habe, im Dezember drei Opernvorstellungen erlebt. Neben den oben erwähnten noch „Salome“ in Stuttgart.
Zu Beginn möchte ich sagen: Das Orchester war grossartig. Es spielte unter der Leitung von Bertrand de Billy. Kein Vergleich zum „Don Carlo“. Da waren bereits die ersten Takte aufwühlend, präzise, mitreissend. Und so spielte das Orchester bis zum Schluss. Es war fähig zu Fortissimo-Ausbrüchen, war aber in der Lage, wunderbare Piani zu spielen wo es verlangt wurde. Ich hätte meinen können, ich hätte zwei verschiedene Orchester gehört.
Ich besuchte den Holländer, weil da Tanja Ariane Baumgartner als Mary dabei war. Keine so grosse Rolle und wenn ich mir vorstelle: Im „Don Carlo“ als Prinzessin Eboli elegant, schön, selbstbewusst und als Mary im „Holländer“ spielt und singt sie die Aufsicht über die spinnenden Mädchen, die auf die Rückkehr ihrer Liebsten warten. Und sie ist da halt eine Aufsicht, in einem Kleid, wie ich glaubte, dass meine Grossmutter solche getragen hat und mit, wie ich fand Schuhen, die einen schwerfälligen Gang ergaben. Senta trötzelt und sagt Mary: „Sing die Ballade vom fliegenden Holländer!“ Mary weigert sich und stattdessen singt sie Senta. Und ich sagte zu mir: Schade eigentlich, dass diese Ballade nicht die Mary singen darf. Da könnte ich Tanja noch länger geniessen 🙂
Besonders freute ich mich auf den Holländer von Wolfgang Koch. Ihn hatte ich bei den Radio-Übertragungen aus Bayreuth als Wanderer und Wotan in den Wagner-Opern gehört. Und ich habe mich mit Wolfgang Koch lange auseinandergesetzt, war er doch immer wieder ein Gesprächsthema mit meinem Lehrer Josef Metternich, der auch Herrn Koch ausgebildet hat. Und ich freute mich, als ich plötzlich von seinen grossen Erfolgen las, die doch lange auf sich warten liessen. Warum wird schwierig zu beantworten sein, aber ich habe bei „Don Carlo“ schon geschrieben, dass die Wege von Opernintendanten, Regisseuren und Dirigenten vermutlich nur schwer zu verstehen sind. Und Wolfgang Koch war einfach grossartig. Er scheint ein Riese zu sein und nur schon, wie er zu Beginn, in seinem weiten Mantel daherkam, da stand, geekelt in die Weltgeschichte schaute: Nur schon das war aufregend. Und als dann seine Stimme erklang: Zuerst lief es mir kalt den Rücken herunter und dann war es einfach Begeisterung bis zum Schluss. Eine Stimme, die keine Schwierigkeiten zu kennen scheint. Eine aufregende Stimme mit einem dunklen Klang, der sich auch in der hohen Lage nicht aufhellt. Ein Erlebnis für mich: Endlich wieder einmal eine grossartige Wagner-Stimme zu hören, die meinen Vorstellungen entspricht.
Senta sang und spielte Erika Sunnegårdh. Sie muss ein verliebtes, junges Mädchen spielen und spielte und sang das überzeugend. Sie ist hin- und hergerissen zwischen dem Erik und dem Holländer. Und klar, dass der Holländer gewinnt. Und dazu eine Stimme, die dieser schweren Partie voll gewachsen war. Sie wurde nie, was halt bei Sopranistinnen häufig der Fall ist, schrill. Und sie hatte mit ihrer Stimme auch keinerlei Probleme, über die Orchesterwogen hinwegzusingen.
Der Daland kam mir sehr jugendlich vor. Gut, wenn man sich die Senta um die 18 oder 20 vorstellt, wird Daland, ihr Vater, ein norwegische Seemann und Kapitän, um die vierzig sein und dann geht das auf. Die Bassstimme von Andreas Bauer gefällt mir gut. Er braucht nie zu forcieren, er hat Wärme in der Stimme. Und er spielte und sang so, dass er richtig nerven konnte, bis er begriffen hat, dass er seine Tochter mit dem Holländer endlich alleine lassen soll. Und was man halt von ihm immer wieder hört: Eigentlich ist es ihm wichtig, seine Tochter Senta dem Holländer, den er ja überhaupt nicht kennt, zur Frau zu geben nur damit er möglichst viele Diamanten und Geld dafür kriegt. Denn Erik, dem er Senta eigentlich vesprochen hat, ist mittellos. Ob er seine Tochter Senta wirklich liebt, stelle ich hier in Frage, denn es geht ihm nur um die materiellen Werte.
Und dann eine sehr schöne Tenorstimme: Daniel Behle in der Rolle des Erik. Herr Behle hat eine Stimme, die er nie mit Druck führt. Auch wenn er aufbraust, auch wenn er wütend ist: Er behält die Schönheit der Stimme bei, vergewaltigt sie nicht mit Tönen, die ihr schaden würden. Der Dirigent Bertrand de Billy erklärt, dass er von Anbeginn weg mit eher lyrischen Stimmen arbeiten wollte. Und Daniel Behle kommt vom Liedgesang her und das sei für ihn perfekt. Vermutlich hat mir darum der Erik auch für einmal gefallen, weil er GESUNGEN und nicht geschrien wurde. Ich hoffe, diese Stimme wieder einmal auf einer Bühne zu erleben. Im übrigen spielte Daniel Behle ebenfalls ganz überzeugend. Er machte seine Erschütterung deutlich, als die Senta sich von ihm weg und dem Holländer zuwandte.
Noch etwas zu dem vom Dirigenten erwähnten Liedsänger: Josef Metternich hat mir immer gesagt: Singe die Oper wie ein Lied und das Lied wie eine Oper. Und es wird aufgehen. Ganz klar, mit den Emotionen und der Kraft, die die beiden verschiedenen Gattungen verlangen.
Freude machte mir auch der Tenor Michael Porter als Steuermann. Eine Stimme, die ohne Mätzchen den grossen Zuschauerraum füllte und auch sein Spiel war fröhlich, naiv. Er hat als Steuermann eine sehr grosse Verantwortung auf dem Schiff und da könnte man sich fragen: Ist ein Steuermann wirklich so jung? Lässt er sich wirklich mit Alkohol dermassen abfüllen? Aber das ist eine Frage nur ganz am Rande.
Und ganz grossartig war wiederum der Chor der Frankfurter Oper. Vielleicht kommt er im „Fliegenden Holländer“ noch mehr zur Geltung als im „Don Carlo“. Welche Kraft, welche Energie, welche Schönheit besitzen die Stimmen dieses Chores. Das hat richtig Freude gemacht, ihnen zuzuhören und zuzuschauen, denn sie spielen auch ganz überzeugend.
Die Inszenierung von David Bösch in den Bühnenbildern von Patrick Bannwart war fantastisch. Als ich in Opernkritiken las von Harley-Motorrädern auf der Bühne, als ich von einer grossen Schiffsschraube las, die da plötzlich auftaucht. Da fragte ich mich, was denn wohl auf mich Zuschauer zukommt. Aber alles war dermassen überzeugend inszeniert, dass es stimmig wurde, dass es aufgegangen ist. Den Schluss kennt man oft, dass der Holländer mit Senta aufs Meer hinausgeht, erlöst. Hier ist unklar: Ist der Holländer wirklich befreit worden oder geht sein Suchen weiter. Denn er geht weg und Senta bleibt alleine zurück, erklärt aber, für ewig bei ihm zu sein. Auch dieser Schluss ist sehr berührend und aufwühlend.
Die Oper dauerte rund 2 1/4 Stunden und wird ohne Pause aufgeführt. Ob das nicht zu lange ist, fragte ich mich. Und am Schluss musste ich erstaunt zur Kenntnis nehmen, dass über zwei Stunden bei mir selten so schnell vorbeigegangen sind. Das spricht für die sängerische und musikalische Leistung sowie die Inszenierung mit den interessanten Bühnenbildern!!
Trailer „Der fliegende Holländer“:
Wolfgang Koch gefällt mir auch sehr gut. Ich hörte ihn zuletzt als Sachs in Berlin. Die Bayreuther Übertragungen mit Koch hörte ich auch.