Wie war denn eigentlich der Unterricht bei Josef Metternich? Was sein Erfolgsgeheimnis?
Zu seinem Erfolgsgeheimnis, das wahrscheinlich kein Geheimnis war, gehörte seine unwahrscheinliche Menschlichkeit, seine Liebe dem Schüler gegenüber. Trotz aller Strenge, er strahlte immer eine enorme Zufriedenheit aus.
Ich ging, nachdem eine schwierige Zeit hinter mir lag, die auch einmal Thema sein wird, drei Tage hintereinander zu ihm in den Unterricht, Montag, Dienstag, Mittwoch. Und obwohl mir bewusst war, wie streng diese Tage wurden, habe ich mich immer gefreut. Auf das Wiedersehen mit ihm, seine Kritik, das wieder einen Schritt weiterkommen. Schon die Begrüssung war wie ein nach Hause kommen.
Herr Metternich hatte ein wunderschönes Haus mit 3500m2 Umschwung. Zuoberst auf einem Hügel in Feldafing am Starnbergersee. Er erklärte mir, das Land hätte er mit seiner ersten grossen Gage gekauft. Das Land sei damals noch ein Acker gewesen, aber er hätte sich sofort in die Gegend verliebt. Später hat, gerade an sein Land angrenzend, der Bariton Wolfgang Brendel sein Haus gehabt und das gab dann Fachgespräche über den Zaun.
Da kam ich also aus Zürich an, anfangs mit dem Zug, später mit dem Auto, weil es schneller ging. Herr Metternich hat mich immer davor gewarnt, im Auto zu singen. Denn die Benzindämpfe, die trotz allem in den Innenraum kommen, gehen auf die Bronchien und damit ist mit Singen direkt nach der Ankunft nichts. Man spürt dieses Ausgetrocknetsein auch auf langen Fahrten, wenn man viel redet. Genau so wichtig ist übrigens, im Sommer nicht an der prallen Sonne zu sein sondern immer einen Sommerhut aufzuhaben und sich im Schatten zu bewegen. Die Sonne trocknet die Schleimhäute aus. Welcher Lehrer erzählt heute noch von diesen Dingen?
Und dann ging’s los mit Uebungen. Keine komplizierten Sachen wie Concone oder Solfeggien. Sondern Uebungen, die sehr Praxisbezogen waren. Die Gesangstechnik von Josef Metternich wurde auch von vielen angegriffen. Wie schädlich sie sei. Aber: Ich singe seit über dreissig Jahren mit dieser Technik und habe das Gefühl, die Stimme hat immer noch grosse Qualitäten. Und wenn ich mir Sängernamen wie Eike Wilm Schulte, Wolfgang Koch, Stella Kleindienst, Wicus Slabbert, Matthias Hölle, Mechthild Gessendorf, Dorothea Chryst, Cornelia Kallisch, Michael Volle, Oskar Hillebrandt und viele andere in Erinnerung rufe, die seit sehr langen Jahren auf höchstem Niveau singen, dann weiss ich nicht, was an dieser Technik schädlich sein sollte.
Sicher, wie bei jeder Technik kommt es drauf an, dass ich sie begreife, sie für mich richtig umsetzen kann. Josef Metternich arbeitete mit dem Stauprinzip. Ich atme ein und komprimiere die Luft in der Lunge. Das ist wie wenn ich einatme und dann stöhne ich. Oder das Gefühl das ich in der Lunge spüre, wenn ich einen Luftballon aufblase. Das ergibt einen sehr dichten, kräftigen Ton. Es ist klar, dass man damit vor allem zu Beginn vorsichtig umgehen muss, die Lunge nicht überarbeitet, sie muskulär nicht falsch behandelt. Wichtig ist auch, dass ich nicht wie ein Luftballon, dem die Luft entströmt, zusammenfalle, sondern im Gegenteil immer grösser und weiter werde. Das ist einfach ein wenig Theorie. Der Lehrer von Josef Metternich, Paul Neuhaus, hatte viel mit Lungenkranken gearbeitet. Und ich habe beim Unterrichten auch mit Schülern gearbeitet, die unter Asthma litten, und denen hat diese Technik viel Erleichterung gebracht.
Nun, manchmal arbeiteten wir die erste Stunde nur mit Uebungen und ich kam heiser in mein Zimmer bei der sympathischen Familie, wo ich wohnte. Heiser darum, weil die Stimmbänder im Unterricht mit 200% Prozent belastet wurden und nicht nur mit 90%, wie wenn ich selber zu Hause übte. Das war eine Reaktion wie Muskelkater, wenn ich längere Zeit keine Gymnastik gemacht habe. Die Stimmlippen schwellten auf und es gab eine intensivere Durchblutung.
Und am anderen Tag war die Stimme strahlend schön da. Wir arbeiteten Opernarien und Arien aus Oratorien. Hin und wieder, wenn ein Liederabend anstand, auch Lieder. Und auch bei Liedern war es immer wichtig, die Stimme nicht zu einem eunuchischen oder embryonalen Singen zurückzunehmen, sondern mit einem schönen Mezzoforte bis leichtem Forte zu singen.
Manchmal gibt es in einer Arie nur EINE Stelle, die Schwierigkeiten macht. Und die sich in den Hals zu singen, braucht Zeit und Geduld und manchmal auch die richtige Führung. Am Dienstagabend war immer gemeinsames Nachtessen angesagt. Da gingen wir zum Makarska Grill wunderbar essen und trinken. Herr Metternich mit seiner Frau und Christian Metternich, sein Sohn mit seiner Frau. Das war jedesmal ein wunderschöner Abend mit spannenden Gesprächen.
Und am Mittwochmorgen hatte ich nochmals eine Stunde, in der wir die Stimme wirklich belasteten. Diverse Opernarien, manchmal auch ganze Opernausschnitte arbeiteten. Und dann hiess es wieder nach Hause fahren. Etwas, was mir nie leicht fiel vor allem weil ich spürte: Das ist mein Leben!!!!
Lieber „Papageno“,
das, was Sie hier schreiben, entspricht genau dem, was ich auch bei Metternich´s Unterricht empfunden habe, der, frisch nach dem Abitur, mein erster und im Grunde genommen auch einziger Lehrer war.
Ich bin inzwischen ein Mittfünfziger, singe seit über 30 Jahren und die Stimme ist, so weit man das selbst beurteilen darf, noch absolut intakt.
Ich habe eine vor einigen Jahren eine Seite über Metternich aufgemacht, die leider für einige Wochen nicht erreichbar war, da der Server einen Crash hatte.
Jetzt läuft aber alles wieder.
Bei Interesse:
http://frankschneiders.de/Metternich/home.html
Herzlichen Dank für Ihr liebevolles und respektvolles Statement über den großen Sänger, Lehrer und Menschen Josef Metternich.
Lieber Herr Schneiders
Danke für Ihre freundlichen Zeilen. Es ist schon so, wenn man Herrn Metternich erlebt hat, war man ihm „verfallen“:-)
Ihre Seite über Herrn Metternich ist sehr schön. Darf ich sie auf meiner Homepage im Lebenslauf mit Josef Metternich verlinken? Ich würde mich freuen.
Alles Gute und natürlich weiterhin viel Freude und Erfolg mit der Musik, der Stimme.
Papageno – Urs Rösli
Den Link dürfen Sie gerne weitergeben. Irgend jemand hat den auch in dem Metternich Artikel bei Wikipedia veröffentlicht, ohne mich vorher zu fragen. Aber dafür ist so eine Seite ja da. Wahrscheinlich können viele junge Gesangsinteressierte und angehende Sänger mit dem Namen Metternich nicht mehr viel anfangen und medial ist es ja auch eher ruhig um diesen großartigen Sänger geworden.
Herzliche Grüße.
Frank
Guten Tag, Frank, Danke für Ihre Antwort. Gerne werde ich den Link auf meiner Homepage veröffentlichen.
Schade eigentlich: Thorsten Schneider (war auch Schüler von Herrn Metternich) und der Journalist Thomas Voigt haben ein fertiges Buch über Herrn Metternich in der Schublade. Leider fand sich kein Verlag, der es veröffentlichen wollte.
Ich weise meine Schüler immer wieder auf diesen herrlichen Sänger und diesen lieben Menschen hin. Wie ich im Internet zufällig gesehen habe, ist Frau Metternich vor einem Jahr gestorben. Darüber hatte ich nichts gelesen. Aber wichtig war für mich auch nur Herr Metternich.
Einen schönen Sonntag und lieben Gruss aus Zürich
Urs